17.–19. 9. 2010 Zürich geht ein Licht auf

„Es klappt!“ Zu dem Zeitpunkt, wo die Gebäude- und Brückenbeleuchtungen nach „Plan Lumiere,“ ca. eine halbe Stunde nach der öffentlichen Beleuchtung, einschaltet, ist der Himmel über Zürich bereits sehr dunkel und erlaubt mir nur noch wenige Minuten zum Fotografieren bis es stockdunkel ist. Eher skeptisch diskutiere ich mit meinem Auftraggeber über das knappe Zeitfenster für die Aufnahmen. Gerne hätte ich mehr Zeit, um Bilder zu machen, wo der Himmel noch heller leuchtet. Es klappt tatsächlich und die Uhren wurden drei Tage lang, extra für mich, um eine halbe Stunde vorgestellt.

Es soll ein Wandbild von zwei Metern mal fünf Meter vierzig geben, Schwarz-Weiss. Ein Bild mit Grossmünster, Münsterbrücke, Fraumünster, Wasserkirche, Limmat usw. Alles was in Zürich zum charakteristischen Bild gehört, muss mit aufs Bild. Eine Frage stellt sich noch: Ein 360° Zylinder-Panorama oder Weitwinkel-Panorama? Gerne würde ich die Bilder auf der 6x17 Mittelformatkamera auf richtig gutem Velvia-Film machen und dann einscannen. Bei einer Vergrösserung auf zwei Meter Höhe traue ich dem Film immer noch mehr zu als dem digitalen Sensor.

Island 2010

Im Land der Wikinger

War früher der Zweihänder des Wikingers Lieblingsbeschäftigung, ist es heute der Dodge RAM mit Sandreifen und mindestens einem Meter Bodenfreiheit. Das muss wohl damit zusammenhängen, dass es wirklich die Wikinger waren, die Nordamerika entdeckt haben. Dennoch: Eine gewisse Ähnlichkeit zu den Amerikanern ist nicht zu bestreiten. So gibt es entlang der Hauptstassen an den Tankstellen und in den Restaurants meist Hamburger mit Pommes Frites und Pepsi und zum Dessert Donughts mit Filterkaffee. Manchmal gibt es aber anstelle von halbwegs geniessbarem Filterkaffee heimtückische Kaffeeautomaten: Mit der richtigen Menge an Kleingeld rinnt warmes Wasser und zum Schluss eine schwarze Sauce in einen Pappbecher, übrigens gibt's das auch als Capuccino zu haben – Unterschied gleich Null.

Hägars Nachkommen sind freundliche Gesellen, hilfsbereit und – wie gesagt – begeistert von grossen Offroadern wie dem Dodge RAM, Toyota Land Cruiser, Landrover und von allem, mit was man sonst noch mächtig Eindruck machen kann. Natürlich mit richtig fetten Sandreifen und mindestens einem Meter Bodenfreiheit. Aber auch die alten Amerikanerautos haben hier einen besonderen Stellenwert, und sei es nur, um auf der Westmännerinsel am Sonntagnachmittag mit dem Plymouth Barracuda die 2.5 Kilometer lange Strasse der Insel rauf und wieder 2.5 km runter zu fahren. Auf den ersten Blick scheint die Finanzkrise ein Mythos zu sein. Trotzt der Freude an Riesenautos ist der Strassenverkehr recht beschaulich. Auch während der Rush-Hour in Reykjavik sind kaum Staus zu befürchten, und ausserhalb der Hauptstadt fährt man in einigen Gegenden weit, bis man wieder einmal ein Auto kreuzt.

Natürlich besuchten wir auch die „Must-see’s“ von Island: Die blaue Lagune mit ihrem mineralienhaltigen Wasser, Vulkankrater, Wasserfälle und den Geysir. Kaum hat Maurus den Geysir gesehen, steht er schon klatschnass in seinen orangen Hosen und der blauen Jacke da. Die Stelle, die er sich ausgesucht hat, um das Spektakel gut zu sehen, war eigentlich perfekt: Kein Mensch stand ihm vor der Nase – freie Sicht auf die Fontaine, nur die Windrichtung war nicht einberechnet.

Die zahlreichen spektakulären Wasserfälle wie Seljalandfoss, Skogarfoss oder Svartifoss sind natürlich immer wieder Gründe für einen Stopp. Aber eindeutig am meisten Eindruck machten uns die schwarzen Sandstrände im Süden der Insel. Schwarze Basaltsäulen, schwarzer feiner Sand und die weisse Gischt des Meeres – nicht gerade Badetemperatur, aber sicher einige der schönsten Strände der Welt. Und natürlich fehlt dort auch der grosse Fels mit Leuchtturm und senkrechten Felswänden mit Brutkolonien von Möven und Papagaientauchern nicht. Ein ganz spezieller Ort ist auch die Gletscher-Lagune des Breidarjökull mit Eisbergen, die in der Lagune schwimmen, Robben und Seevögeln. Die Gletscherzunge ist ein kleiner Teil vom Vatna-Gletscher, der so gross ist, dass er einen Drittel der Schweiz bedecken würde. Blaue glänzende Eisberge brechen los und treiben aufs offene Meer hinaus, werden an den Strand gespült und schmelzen dort langsam als glitzernde Skulpturen auf dem schwarzen Sand. Und wenn wir schon bei den Best-of’s sind, muss auch Landmannalaugar mit seinen okkerfarbenen Bergen genannt werden. Schon die Fahrt in die Hochebene bietet ein Erlebnis: Lange Fahrten zwischen mit Moos überwachsenen Lavafeldern, leuchtend grünen Berghängen, schwarzen Sandebenen und Kraterseen. Und immer wieder sind geothermisch aktive Gebiete zu sehen. Dort steigen Schwefelwolken aus dem Boden zum Himmel, natürlich mit deutlichem Geruch, oder Wasser kocht in einem Erdloch vor sich hin.

Natürlich haben wir auch Julia’s Guesthouse besucht. Mit der Lage des Hauses in der Nähe von Selfoss bietet sich das rote Haus mitten in einer weiten Ebene geradezu als Ausgangspunkt für Tagesreisen in alle Richtungen an. Und wenn abends manchmal ein dünner Bodennebel die Wiesen bedeckt, scheint das Haus aus einer Traumwelt entsprungen zu sein. Neben Julia wohnen hier noch zwei Katzen (momentan sind es allerdings acht, da eines morgens plötzlich noch sechs Junge in der Kiste lagen), einige Kaninchen, deren Anzahl nicht genau zu bestimmen ist, und einige Hühner und Hähne, die im Wohnwagen neben den Haus residieren. ( http://julias-guesthouse.com/ )

Ich war aber auch zum Arbeiten in Island: Meine Aufgabe war, einige Bauprojekte auf Island zu fotografieren. In Reykjavik entsteht ein neues Musik- und Kulturzentrum, die Harpa. Die Leidensgeschichte dieses gewagten Projekts ist lang. Viele Isländer beschuldigen die Regierung, mit diesem Projekt der Banken- und Wirtschaftskrise noch zusätzlich nachgeholfen zu haben. Kostenüberschreitungen und Probleme bei der Umsetzung der von zwei isländischen Künstlern entworfenen Fassade sind weitere Gründe.

Weitere Projekte, die ich fotografierte, sind ein neues Aluminium-Schmelzwerk in Helguvik, ein Data-Center in Asbru und Erweiterungsbauten in einem bestehenden Aluminium-Schmelzwerk in Straumswik. Auf Grund der Wirtschaftskrise sind einige Projekte auf ein Minimum reduziert worden, zum Teil sogar ganz stillgelegt. Und im Gespräch mit den Bauleuten bemerkt man, dass die Krise die Stimmung niederdrückt. Perspektiven sind zurzeit wenig vorhanden, einziger Ausweg scheint vielen die Auswanderung.

Die Aluminiumwerke gehören amerikanischen Firmen und das hatte für mich ungeahnte Folgen. Ohne Sicherheitsinstruktionen, Schutzbrille, Schutzstiefel, Anseilgurt ab einer Höhe von 1.5 Metern über dem Boden und ständigem Aufpasser (manchmal gar mehrere davon), dass mir auch ja nichts geschieht, durfte ich keinen Schritt machen. Arbeitsplätze, und war es auch nur ein kleiner Graben ohne irgendwelcher laufender Arbeiten, waren weiträumig abgesperrt – auch für mich. So blieb mir manchmal nichts weiter übrig, als die paranoiden Sicherheitsvorkehrungen zu dokumentieren – und mich darüber zu wundern.

Auf einer der Baustellen lernte ich einen jungen Berufspiloten kennen, der hier sein Geld verdient. Ich vereinbarte mit ihm einen Rundflug über Reykjavik, um die Harpa aus der Vogelperspektive zu fotografieren. Ich glaube, Laetizia schluckte einmal leer, als sie sah, wie jung der Pilot war. Das zweite Mal schluckte sie beim Namen des Flugzeugs: TF TOD, ach ja, und dies am Freitag, den 13.